Sonntag, 27. April 2014

BoBoVille, HippieVille, DetroitVille

Beeindruckend sind die Bilder von computergestützten Anim- und Dokumentationen, wie es aussähe, wenn Mensch die Städte verließe. Und "die Natur", die mehr oder weniger nah Bekannte, "wieder die Oberhand gewinnt" und binnen weniger Jahre "sich den Raum zurückerobert". Was Beton aufbricht und hervorsprießt, was witterungsbedingt zerfallen und einstürzen lässt, was überwuchert und zuspinnt. Beeindruckend. Ganze Spielfilme wurden auf dieser Hintergrundidee aufgebaut – Mensch verlässt Erde/oberfläche, man linst mal kurz und findet Erstaunliches. Kaum wiederzuerkennen. Erschreckend? Wünschenswert? Symbolhaft? Selbst in Werbespots wurde schon "mit der Idee gespielt". Aber bitte nur spielen, denn wir sind die Technologie, die Zupflasterung, ja so gewohnt; wir verabscheuen und vergöttern sie zugleich. Kunstrasen! Asphalt! Unkrautvernichtungsmittel! Barrierefreiheit! Auf dass der Stöckelschuh sich in keinerlei Kerben verfange und zerkratze!

Und dann gibt es immer wieder Dokumentationen, die keiner Computeranimation oder Photoshops bedürfen: Über Detroit, die Wirtschaftsverliererstadt. Einst so voll, so dicht, so busy – jetzt verlassen, entleert, Mensch und Maschine sind abgezogen.
Schade? Schrecklich? Schauderbar? Geisterstadt? Soll man kopfnickend vorführen, wie schnell Menschliches Vergängliches wird? Wie sich das Fähnchen im Wind drehen kann? Wie fehl wir gehen in unseren Bemühungen, wie wir uns an Zielen kaputtrackern und mit welcher Leichtigkeit sie zerfallen? Schadenfreude oder Faszination des Grauens? Applaus für den Rückschritt bzw. den Fortschritt der "Natur"?

Aber was nun mit Detroit? Geschäfte sind dort nicht zu machen. Und ohne Geschäfte keine Einwohner. Infrastruktur, Einkommen, Convenience?
Schaue ich Endzeit-Filme jeglicher Art, in denen die menschliche Gesellschaft dezimiert und ruiniert wird, und es zum Happy End das typische Händchenvoll Helden geschafft hat "noch da" zu sein, überlege ich mir, wie es nun anzugehen wäre. Stromversorgung? Kommunikation? Herstellung und Lieferung von Waren? Medizin, Bildung? Man müsste sich neu strukturieren. Neu und klein anfangen. Menschliche Ressourcen, sprich, Wissen, finden. Selber machen.
Also was nun mit Detroit.
Wie wäre es mit einem MegaBoboVille? Eine ganze gärtnernde DIY-Metropole? Inklusive aller derzeit besonders hippen Ideen wie Tauschen als Währung? Umwidmen, recyclieren, selbstbauen, selbstanbauen, selbstschneidern, selbstverwalten? Homeschooling als Gesamtbildungskonzept? Kräutermedizin aus Eigenanbau?
Eine Stadt voller Düringers!
Warum eigentlich nicht. Ob die Stadt nun brachliegt oder sich eine Community bildet – wen würde es stören? Und dann ändern wir die Ortstafeln und nennen es:

ReTroit.


Sonntag, 13. April 2014

Faschings-Verkleidungs-RoundUp

Ein jedes Jahr im Fasching, seit dem Kindergarten und in der Volksschule, verkleidete sich das Kind anlässlich der Faschingsfeiern. Weil man das so tut. An einem festgelegten Termin fröhlich und ausgelassen und albern sein. Weil man an diesem Tag (und nur an diesem Tag? auf Kommando?) spinnert sein darf/muss/kann/soll.

2006 erledigte die Hauptarbeit der Kindergarten selbst: Vorgegebenes Motto ("Tiere"), und die Öhrchen bastelten sie dort auch selbst. Braun-naturfarbiges Gewand ausgewählt, und fertig.

2006: Der Bär.

Dankenswerterweise auch 2007 ein Motto: Clowns. Da ließ sich einfach etwas aus dem Kleiderschrank zusammenstellen – inklusive Mutterns eigentlich kurzer Hose.

2007: Der Clown.

2008 bekamen wir ein Baumeister-Kostüm geschenkt, von Leuten, die dachten, das Kind würde wie alle Anderen auf den Franchise-Waggon aufspringen. Eine Verkleidung war es allemal, so wurde sie eben angezogen. Wie phantasielos. Dankbar war ich darum dafür, dass der Kindergarten ein Faschingsfest mit einer Zirkusaufführung organisierte – und das Kind zum Löwen wurde.

2008: Commercial Bob.
2008: Der Löwe.
2009 fragte ich: Wie willst du dich denn verkleiden? Und das Kind meinte, Spongebob?!? Also wurde ein Kostüm geschaffen. Ein Schwammkopf aus einer Cornflakes-Schachtel, eine Krawatte aus Stoffresten, und die Sache war erledigt.

2009: Commercial Bob 2.0


2010 wieder das große Grübeln: Und was heuer?!? Ritter vielleicht? Nur zufällig ein walisischer, da der Drache sich so gut machte, wenn auch äußerst mühsam mit der Nagelschere auszuschneiden. Gut, wenn man genug Karton und Spezialpapier für Schild und Krone im Hause hat. Das Pseudo-Kettenhemd fand sich im 2ndHandShop.

2010: Der Ritter.
2011 wurden ein geschenkter Vampirumhang, ein Stab aus dem Zauberkasten und viel Buntpapier (Zylinder) zu einem Zaubererkostüm zusammengestoppelt. Achtung: Ein Zylinder ist nicht rund. Er ist oval. Weil Köpfe nicht rund sondern oval sind.

2011: Der Illusionist.

Nach langem Überlegen sollte es 2012 ein Pinguin sein. Diesmal ging's ans Nähen (Kostüm aus Rollkragenpullover, altem T-Shirt, Leggins), Stricken (Pinguinbein-Legwarmers), Basteln (Schnabelmaske und Fisch). Der weiße Bauch funktionierte als Geheimtasche, in der Golfischli-Knabbereien für die Schulkollegen versteckt wurden. Das Kostüm gewann keinen Preis, wurde aber ob seiner Einzigartigkeit von Direktion und Lehrerkollegium gelobt. 

2012: Der Pinguin.

Der größte Aufwand bis dato: Das Sams 2013. Für den "Taucheranzug" klapperten wir X 2ndHandShops nach gräßlichem Trainingsgewand ab (wenn man's sucht dann gibt's es nicht), das in langen Nächten abgeändert und mit den typischen Streifen benäht wurde. Dann Schwimmflossen und Rüsselnase gebastelt, Sams-Rückholtropfen (Zuckerkügelchen) fabriziert, und rotes Haarspray gekauft. Hinter vorgehaltener Hand das Lieblingskostüm der Klassenlehrerin. 

2013: Das Sams.

2014 war es nur eine Frage der Entscheidung, welche Star Trek-Uniform es sein sollte. Ein Klingone war nahezu unmachbar (zugegeben: nichts ist unmachbar, aber der immense Aufwand hätte sich für einen Tag nicht gelohnt, und die Herstellung in der kurzen Zeit nicht fertig werden können); für einen Vulkanier hätten die Augenbrauen ab müssen. Also lieber der originale Haustechniker Scott. Nach schneller Recherche stand fest: Das Originalkostüm war so simpel geschneidert, dass es ganz einfach nachkonstruiert werden konnte. Und nicht um über € 80,- gekauft. Rotes Herrenshirt (aus dem Rundhals- einen V-Ausschnitt gemacht), mit schwarzem T-Shirt-Rest komplettiert, Zackenlitze drauf, Abzeichen gestichelt. Und dann noch der typische Blick des abwägenden Ingenieurs: Aaaaaaah, Jim, ich mach's in zwei.

2014: Der Scotty.

Wir werden sehen, wie es in Zukunft weitergeht. Ob das Gymnasium auch verkleidungspflichtige Faschingsfeiern abhalten wird. Ob es dem Kind irgendwann zu blöd wird. Ob er sich selbst etwas zusammenstellen oder wieder mich beauftragen wird. Und ob er es mir dann wie in den letzten Jahren erst kurzfristig sagen kann, damit ich noch schnell in leichte Schweißausbrüche verfallen und in den Semesterferien rasch etwas auf den Kleiderbügel bringen kann. Ich gebe zu: Es macht mir ja Spaß. Nicht der Fasching. Aber die Kostümbildnerei.

Samstag, 12. April 2014

Die Raulederjacke des Herrn B.

Neulich an der Straßenbahnhaltestelle, erblickte ich, auf meinen Zug wartend, das mir nur entfernt bekannte Ehepaar B. Großeltern, jenseits der 70. Sie trug beige Bügelfreihose und Strickhaube, er hellbraune Raulederjacke. Doch an seiner linken Jackenseite, etwas über Hüfthöhe, und, bei genauerem Hinschauen, seiner linken Ärmeloberseite, entdeckte ich dunkle, abgeriebene Flecken. Was war geschehen? Und warum die Flecken nicht weggebürstet?

Als sie sich auf den Weg machten um in Richtung ihrer Wohnung zu spazieren, verstand ich die Ursache der Abriebsflecken.
Frau B. hängte ihren Arm in den ihres Mannes.
Ihr rechter Oberarm schmiegte sich an seinen linken Jacken-, ihre Hand auf seinen linken Ärmelfleck.
So gingen sie davon.
Und mir wurde klar, dass nur jahre-, wenn nicht jahrzehntelanges Paarlaufen Seite an Seite seine solchen Spuren hinterlassen haben konnte.