Sonntag, 13. Oktober 2013

Was sieht der Polizist,

wenn er die Wohnung betritt?

Neulich versuchte ich einmal wieder, die Wohnung mit den Augen eines Fremden, der unangekündigt spontan eingelassen wird, zu sehen.
Im Nachhinein. Es war ja spontan und unangekündigt.
Jemand, der mich und meine Wohnung nicht kennt. Keine Ahnung hat was für ein Leben ich führe und was ihn erwartet.

Da steht eine Schultasche an seinem Platz an der Seite. Da hängt die Wäsche zum Trocknen frisch aufgehängt. Da sind Bücher, viele Bücher. Durchschnittliche Ausstattung an Elektrogeräten. Drei Sessel beim Esstisch. Die Küche, das Vorzimmer, bewohnt aber durchschnittlich ordentlich. Saisonale Dekoration. Ein kleiner gepflegter Garten, das Gras neulich geschnitten. Ein bisschen Krimskrams hie und da, vielleicht ein bisschen Staub an den typischen Stellen. Alles an seinem Platz. Ob ihm die Tube Fugenreiniger aufgefallen ist?

Es ist ein Haushalt von drei Personen, davon ein jüngeres Schulkind (Schultasche, Schuhgrößen auf einer der drei Schuhabstellregale, Deko). Nichtraucherwohnung (Aschenbecher im Garten), arbeitend (sauber und ordentlich, das Putzen hauptsächlich auf die Wochenenden beschränkt). Gebildet (Bücherregale!), klassische Werte, aber eigenwilliger Stil. Und all das was fehlt, was man in anderen Haushalten zu sehen bekommt. Keine Flaschen, keine Müllhaufen, kein was-sonst-noch-alles-möglich-ist, worauf ein Polizist achtet. "Normale" Zivilbürger ohne Bekanntheit im Exekutivsystem.
















Und, ehrlich gesagt, und genau hingesehen, ist es hier gar nicht "so schlimm" wie ich manchmal denke. Viele, viele Dinge auf meiner To-Do-Liste. Hier etwas auszubessern, da etwas auszumisten, dort einmal wieder gründlich durchzuwischen. Es gibt vielleicht geleckt sauberere Haushalte ohne Zeugs da und dort. Aber eigentlich ist hier alles in Ordnung und gut. Beim Anblick meines Gartens aus fremden Augen dachte ich spontan, Und wann hat sie das alles geschafft?

Gibt es eigentlich auch offizielle "Wohnungsprofiler"? Wahrscheinlich ist "Zeig mir wie du wohnst und ich sage dir wer du bist" ein eigenes Seminar in der Ausbildung des Forensikers. Meine eigene Wohnung kann schwer verbergen, wer und wie ich bin, Dazu braucht man gar nicht erst in mein Bade- oder Schlafzimmer schauen zu müssen (obwohl es da wahrscheinlich in vielen Haushalten noch weit aufschlussreicher zugeht). Anhand meines Kleiderschranks, von welcher Statur ich bin. Lose Haare in der Bürste die mein Aussehen weiter definieren. Medikamente. Kühlschrankinhalt. Ganz abgesehen von Papieren und Dokumenten, würde ein Blick auf Meine Sachen (und deren Zustand) genug Aufschluss über meine Person geben.
Aber bin ich meine Gegenstände? Was, wäre meine Wohnung leer? Oder hätte ich gar keine? Wie viel von Mir "verlöre" ich, wenn ich, z. B. nach einem Brand o. Ä., keine Besitztümer mehr hätte?

Viele Dinge sind allerdings schwer auf den ersten oder zweiten Blick auszumachen, existieren hauptsächlich in meinem Kopf.
Wie so manche Dinge, die die Volksschullehrerin macht, ohne dass wir davon wissen.
Lehrer "tun zu wenig"? Sollen "mehr tun"?
Erst kürzlich offenbarte uns die Klassenlehrerin so nebenbei, sie würde "so nebenbei" angehende LehrerInnen ausbilden. Als Praxislehrerin sozusagen. Und im Sommer werte sie Ergebnisse für die PISA-Studie aus. So nebenbei. Extra-Arbeit so nebenbei.
Es steckt meist viel mehr dahinter, was "so nebenbei" erledigt und organisiert wird. Aber es soll doch immer mehr sein.
Wenn man genau hinsieht, merkt man, dass es genug ist. Dass es genug ist, und dass es gut ist.
Man kann mich gerne spontan und unangemeldet besuchen. Es ist alles gut.


Freitag, 4. Oktober 2013

Vorschrift hat Vorrang?

Seit einiger Zeit fahren die Wiener Linien eine Kampagne, um Rücksicht und Verhalten in den Öffentlichen Verkehrsmitteln zu schulen bzw. die "Hausordnung" besser durchzusetzen.

Als Öffi-Benutzerin erlebt man so manches. Vieles. Und denkt sich seinen Teil dazu. Und kommt auf seine eigenen, ungeschriebenen Regeln und Gesetze.

Als da einige meiner wären:

Wer drückt, darf als Erster aus-/einsteigen.
Wer den bakterienumwobenen Türöffner-Knopf betätigt, hat meinen Regeln nach das Vorrecht, zuerst ein- oder auszusteigen. Wie unelegant wäre es doch, jemand anderen drücken zu lassen und sich dann an jener Person vorbeizudrängeln und sich zuerst durch die Tür zu schieben.

Sitzt die Tasche gut?
Wenn jemand schon der Ansicht ist, dass die Handtasche/das Einkaufssackerl unbedingt einen Sitzplatz benötigt, ganz gleich wie vollgestopft der Waggon ist, bin ich der Meinung, dass die Tasche dann auch einen Fahrschein braucht. Oder? Im Flugzeug beansprucht jedes Ticket ja auch maximal einen Sitz.

Geh, beweg dich...Wer schon meint sich wichtig und dringend vordrängen zu müssen, soll dann bitte auch weitermachen. Durch die Tür und dann erlahmt stehen bleiben, Motto nach mir die menschliche Sintflut, ist nicht. Wer die Entschleunigung in der Fortbewegung lebt, möge bitte wenigstens ein bisschen ausweichen und für die flotteren Mitmenschen ein wenig Platz machen (was übrigens auch für Gehsteige gilt). Die Türen zu blockieren wenn man in der nächsten Zeit nicht vor hat auszusteigen, und so niemand leicht aussteigen kann wenn man in die Station eingefahren ist, zeugt auch nicht von hoher sozialer Phantasie.

Zieh die Flossen ein!
Schön, wenn man ein Plätzchen ergattert hat. Aber warum kann das Gegenüber nicht die ausgestreckten Beine incl. Füße einziehen? So nahe müssen wir einander nun doch nicht kommen. Das Selbe gilt für Sitznachbarn: Wenn du nicht willst dass ich mich auf deinen Jackenflügel setze, dann falte ihn gefälligst auf deinen eigenen Schenkel. Auch deine Ellbogen machen sich nicht so gut in meinem Blickwinkel oder Rippenbogen.

Danke für die Taschenwatsche!
Großhandtaschen- und Rucksackträger vergessen oft, dass sie leicht LKW-artig seitlich nach hinten ausscheren. Wenn man selbst nicht unbedingt mit einem Gardemaß gesegnet ist, landet so ein Tragegut-Bodycheck oft gefährlich nah an der Visage!

Schüttel dein Haupthaar für mich!
Super, wenn wer hinter dir sitzt und, Helge Schneiders Anweisung in "Es gibt Reis, Baby" nach, sein Haupthaar schwungvoll auf dich schüttelt. Wieder ein Absatz unter dem "Vergiss nicht: Du bist nicht allein hier"-Paragraphen.

Colour-Coded.
Wie wäre es eigentlich, wenn Jahreskartenbesitzer ein Vorrecht auf Sitzplätze hätten, verglichen mit einem Konzert-Abo? Ein Farbpunkte-System für Sitzplatzanspruch wäre ja auch was Feines: Nicht nur den älteren, körperlich offensichtlich eingeschränkteren, bekinderten oder wie immer im Stehvermögen beeinträchtigten Passagieren möge man seinen Sitzplatz überlassen. Aber wie zu wissen, ob einer außerhalb dieser Fahrgastgruppe einen braucht? Wie im indischen Kasten-System bunte Farbtupfer auf der Braue? Rot für Regelschmerzen (wos braucht des junge Madl an Sitzplootz)? Gelb für Kopfschmerz- und Migränepatienten? Blau für Über-10-Stunden-Arbeitstag? Grün für Übelkeit, Blutdruck- und Kreislaufbeschwerden?
Oder wie wär's wenn man sich trauen könnte und dürfte, "auch so" ums Hinsetzenlassen zu bitten? Geh, Teenagerschulkind, diese Woche ist voll heftig in der Arbeit und ich kann kaum mehr stehn, und krank bin ich auch. Lässt mich hinsetzen bitte...

Dann allerdings zieht mein Gedankengang noch weitere Kreise. Warum braucht's plötzlich so eine Kampagne? Und warum denk ich mir automatisch meine eigenen Öffi-Benimm-Regeln aus? Muss man den Leuten neuerdings mittels Ding-Dang-Dong-Durchsagen alles und jedes vorsagen und diktieren? Und unsere Kinder besuchen wiederholt Öffi-Sicherheits-und-Gebrauchs-Kurse?
Da drängt sich mir die Frage auf: Kann man seinem Kind (und zukünftigem Erwachsenen) nicht einfach selbst beibringen, wie man sich in den Fahrzeugen, im öffentlichen Raum, und der Gesellschaft allgemein benehmen soll?
Wer seinen Mist in der U-Bahn einfach fallen oder liegen lässt, wird es auch auf der Straße und im Wald tun. Wer sich in der Straßenbahn wie ein ignoranter Asozialer beträgt, wird es auf seinen restlichen Wegen wohl nicht viel anders handhaben. Werden Generationen nicht erzogen, könnte man genauso gut bald auch Kampagnen in Supermärkten starten.

Es ist ein viel weitgreifenderes, tiefschichtigeres Thema. Da geht's nicht um Essensgerüche in der U-Bahn. Da kann man gleich beginnen, alles und jedes durchzusagen, zu verkampagnisieren und abzustrafen. Regeln, Verbote, Anweisungen, Gebote. Oder vielleicht doch schon den Kindern beibringen "was sich gehört", und was ein so genanntes No-Go ist?
Oder wir bereiten schon mal einen Jingle für Restaurants vor: Wir ersuchen unsere Gäste um den Gebrauch von Besteck und Serviette sowie um den Verzehr unserer Angebote mit geschlossenem Mund.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.