Montag, 17. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 14

Ich packe meinen Koffer und reise nach Österreich. Das Dilemma: Was kann ich alles mitnehmen. Wie viel passt hinein. Wird mein Gepäck beanstandet werden? Muss ich etwas zurücklassen? Habe ich nichts vergessen?

Und dann die Reise. In aller Herrgottsfrüh aus dem Schlaf gerissen werden. In der nächtlichen Kühle frösteln. Vielleicht regnet es sogar, während ich mich mit meinem Gepäck auf die Suche nach dem richtigen Weg mache.

Und die Warterei. Anstellen, Schlange stehen, das Kind mault schon. Hetzen und schauen, ob es sich noch ausgeht, etwas zu trinken zu organisieren. Bevor man durchleuchtet und durchgecheckt wird. Vielleicht müssen wir diesmal wieder was ausziehen, weil der Alarm losgeht.

Und dann zusammengepfercht mit einer Menge fremder Leute. Die Hälfte davon hat sich nicht die Zähne geputzt. Hoffentlich geht unterwegs nicht mein Gepäck verloren.

Und die Übelkeit, wenn man durch ein Wetter kommt. Wahrscheinlich bekomm ich wieder die Knie von jemand in den Rücken gedrückt.

Und dann kommen wir an, in Österreich. Was wird mich wohl erwarten? Wie sind die Temperaturen? Ist mein Garten mittlerweile eingegangen? Oder hat gar jemand eingebrochen, und meine Besitztümer sind verloren oder zerstört? Ist überhaupt genug im Eiskasten, oder muss ich mich auch noch in den Supermarkt schleppen?

Was wird mich in Österreich erwarten. Urlaubsmüde Reisende, die ihre Freizeitaktivitäten anstrengend und nervenaufreibend finden? Die ins Ausland fahren, aber in der eigenen Heimat keine Einwanderer dulden, selbst wenn ihre eigenen Vorfahren umhergewandert sind?
Was wird mich in Österreich erwarten. Was erwartet die Flüchtlinge, die sich retten müssen, zufällig in Österreich landen, alles und alle zurücklassen müssen, unter Qualen, und nichts weiter vorfinden als den nackten Erdboden und eine Unzahl saturierte, zu Unrecht verängstige Meute?

Wie zynisch, über eine Reise zu schnaufen und sich zu sorgen. Wenn man in ein gesichertes Zuhause zurückkehrt. In den Alltagstrott. Ins eigene Bett.

Schauen wir uns genau um. Und halten einen Moment inne.

14 Tage im NI'emandsland ~ 13

Es ist immer wieder erstaunlich, wie die Umstände und Details sich ändern, aber doch gleich bleiben bzw. sich ähneln.

Der Süden ist irgendwie süßlicher, runder, naiver und niedlicher. Wobei die geographische Distanz quasi keine ist. Man merkt heutzutage kaum, wann und wo die Grenze überschritten ist. Im Norden dagegen ist es rauer. Strenger. Gerader und grauer.
Schwer zu sagen woran es liegt. Die Architektur? Die Stadtplanung? Die Verwaltung? Tragen Orte eine spürbare Vergangenheit in sich?
Ist die Vergangenheit im Norden überhaupt wirklich vergangen. Man sieht städtische Schulprojekte, Resultate vereinter Aktionen, Gemeinschaftsgärten und lebensfrohe, neutrale Wandbilder.
Und man hört Erzählungen, eigentlich nur knappe Anmerkungen, die eine ganze Geschichte in einen leisen Satz packen. Man sieht gesprayte Graffitis, deren kurzen Formulierungen Rauchschwaden an Hintergründen nachziehen.

Schauen wir uns auch morgen noch einmal um, wenn es heißt:

Sonntag, 16. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 12

Manchmal möchte man die Zeit zurückspulen wie eine Videokassette,  und dafür andere Phasen kurz halten bzw. überspringen oder überschreiben.
Das individuelle Zeitgefühl ist generell ein spannendes Phänomen: wie unterschiedlich sich Zeitspannen, Zeitabstände "anfühlen".

Schauen wir uns auch morgen wieder um und vielleicht auch ein Stück zurück.

Samstag, 15. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 11

Zu Fuß??
Seit es einfach geworden ist, sich ein Auto zuzulegen, und man mittlerweile nahezu überall damit hinkommt (wie wäre es mit autofreien Zonen, abgesehen von den paar lächerlichen Metern Fußgänger(!)zone hie und da), geht man kaum längere Strecken als zehn Minuten zu Fuß.
Ein öffentliches Verkehrsmittel muss her, wenn schon nicht das eigene Automobil.

Es ist mir aufgefallen, dass Kinder, die sehr jung sehr oft und viel und flott gehen, später kein Problem haben mit zwei- bis dreistündigen Dauermärschen. Man muss sie auch nicht mit dem Auto in die Schule bringen.

Als wir also der Schnellstraße entlang etwas über eine Stunde hin und etwas über eine Stunde zurück gingen von unserem spontanen Ausflugsziel, waren wir die einzigen Fußgänger weit und breit, die ohne fahrbaren Untersatz angekommen waren.
Dafür war das Erfolgserlebnis weitaus größer, und wir brachten vom Feld Karotten mit heim.

Schauen wir uns auch morgen wieder um wenn es heißt:

Freitag, 14. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 10

Falls mein heimatlicher Garten tatsächlich mittlerweile in der neuartigen alpin-pannonischen Sommerhitze eingegangen sein sollte, hab ich zumindest wieder eine Handvoll Gewächse nachzuziehen.
Was in der einen Region als alles überwucherndes Unkraut gilt, ist in der anderen ein heikles Pflänzchen, das sorgfältig umhegt werden muss und vom schlingenden Invasiven schnell zum empfindlichen Exoten wird.

Schauen wir uns auch morgen wieder um und finden vielleicht, was sich rücksichtslos breit macht, oder um nach Luft japst.

Donnerstag, 13. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 9

Sandburgen sind der Inbegriff des Vergänglichen. Gleich wie man sie vor Zugriff oder den Gezeiten schützt, sie vergehen ja doch. Man muss also schnell sein, um sie zu entdecken, und sich für kurze Momente so konzentrieren können, sie genießen zu können.
Es ist wie mit Blumen und Blüten, dem Wetter am Himmel, einem vorbeiziehendem Tier.
Mit unseren Fotokameras gaukeln wir uns selbst vor, Momente einfrieren oder aufheben zu können. Dabei zieht jeder Moment vorbei und wird zum nächsten. Kein Sinn, nervös zu werden, weil man ihn vielleicht verpasst haben könnte: In der Nervosität versäumt man schon den kommenden.

Mittwoch, 12. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 8

Vieles fällt einem gar nicht auf, wenn man es stets um sich hat und man es darum vielleicht gar nicht näher betrachtet oder überhaupt nicht hinschaut. In manchen Sprachen kann man leichter absichtlich missverstehen als in anderen.

Schauen wir uns auch morgen wieder um wenn es heißt:

Dienstag, 11. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 7

Vielleicht sind Roboter doch harmloser als Menschen.

Schauen wir uns auch morgen wieder um, wenn es heißt:

Montag, 10. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 6

Manchmal lohnt es sich, am frühen Abend einen Teller mit Katzenfutter in die Wiese zu stellen. Abgesehen von einem halben Dutzend Katzen und einer Handvoll Nacktschnecken kommt vielleicht auch ein Igel vorbei.

Schauen wir uns auch morgen wieder um, wenn es heißt:

Sonntag, 9. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 5

Der nächsten Hitzewelle sind wir also entkommen. Konstante 38 Grad, da könnte ich selbst freie Tage nur absitzen, und nicht genießen.
Dagegen sind 12 Grad fast winterlich, doch bekanntlich kann man sich immer noch etwas anziehen.

Dass es hier im Winter nicht friert, erkennt man auch an der Architektur. Fassadendämmung habe ich hier noch nicht entdeckt, dafür aber spinnwebsartige Konstrukte an den Außenmauern, die scheinbar willkürlich, da an jeder Wand in verschiedener Anordnung und Platzierung, über die Häuser kriechen.

Es ist das Abwasser- und Abflusssystem. Wo Wasser abfließen soll, wird ein Loch gebohrt, ein Rohr durchgesteckt, mit weiteren Rohren verbunden, und fertig.
Das Außergewöhnliche an dem Anblick erklärt sich durch die Temperaturen, die selten unter den Gefrierpunkt fallen. Geplatzte Rohre dürfte es nicht geben, und ein Wasserrohrbruch nicht eine derartige Wirtschaft verursachen.
Es sind immer wieder diese kleinen Details, die Unterschiede aufzeigen, und sie verstehen lassen.

Schauen wir uns auch morgen wieder um, damit wir ein bisschen mehr von der Welt verstehen.

Samstag, 8. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 4

Die Seele des Menschen ist so unergründlich, so tiefgründig, so abgrundtief unverständlich. Fernsehdokumentationen über Mörder und deren Beweggründe, ob Mensch "schon böse zur Welt kommt" oder was einen zum Morden bringt, wechseln sich ab mit der Rekapitulierung historischer Ereignisse, Kriege und deren auslösende Momente, Portraits einflussreicher Politiker und die Offenlegung ihrer Pläne, Taten und Motivationen.
Namen schwirren in meinem Kopf, Gesichter und Bilder, Mladic, Göring, Karadcic, Himmler, Milosevic, Goebbels.
Und es gibt nichts zu verstehen, und es gibt nichts zu begreifen, von Treblinka bis Srebrenica, die Menschen schaffen es einfach nicht, Gefallen am Frieden untereinander zu finden, und ihren Nachwuchs dazu zu erziehen.

Was unterschwellig weiterglost und immer wieder ein wenig Lufthauch abbekommt, lodert nur all zu schnell im Nu auf und wird zu einem Flächenbrand, zu einem Feuersturm, in dem jeder mitbrennt. Nicht überraschend. Gezündelt wird immer, ob mehr oder weniger, und oft ist der Brandgeruch einfach nicht mehr unbemerkbar. Viele haben eine feinere Nase, einigen muss es schon die eigenen Barthaare ansengen damit sie realisieren dass es ernst wird. Und manche holen den Blasebalg heraus.

Egal wo egal wann, die Reibereien hören nicht auf. Und dann findet sich über Nacht ein Graffito an einem Verkehrsschild am Rand einer kleinen Ortschaft, das auffordert, die Leben aller Zugehörigen einer Glaubensgemeinschaft zu beenden - K.A.T.
Der Mensch ist wie ein veganer Kannibale.
Und ja und nein, es ergibt keinen Sinn.

Schauen wir uns auch morgen wieder um, wenn es heißt, The Turning of the Shrew.

Freitag, 7. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 3

Tourismus und Wirklichkeit.
Jedes Land steckt doch in seiner Schublade drin. Als Österreicher erntet man entweder leer-fragende, oder beeindruckt-bewundernde Blicke. Aber hier, hier geht es nicht so leicht von der Hand mit dem Tourismus. Und wie Österreich mit Australien, Wien mit Venedig, Österreich mit Deutschland, so muss man auch hier klarstellen, wo und wer man ist.
Ein Bayer ist kein Preuße, und ein Wiener kein Deutscher (nein, wirklich nicht), und so ist Großbritannien nicht England, und der Norden ist nicht die Republik, und es ist alles etwas komplizierter als du denkst, aber dann eigentlich doch wieder gar nicht. Stell dir einfach vor, Südtirol. Westberlin. Das ist wichtig, das ist nicht eh dasselbe.
Jedes Land hat so seine Schublade, und wenn an die Republik gedacht wird, bekommen die Meisten ein verklärtes Lächeln, Wie schön, da wollt ich schon immer hin, dort ist es doch so schön. Die grünen Hügel, das Gefiedel in urigen Pubs, die Schafe, die Burgen, die Arbeitslosigkeit, die Misswirtschaft der Politiker, die Steuern aufs Trinkwasser, mah schön.
Achso der Norden, wie ist es denn dort. Hmm.
Die, die nicht nach der geistigen Gesundheit des Reisenden fragen weil sie wissen, Belfast, Derry, Bomben, Gefahr, weil so war das vor zwanzig Jahren, haben auch keine rechte Vorstellung. Da kann ein Schauspieler dutzende Preise erhalten, weil er gespielt hat dass er mit einem großen, berühmten Schiffernakl untergegangen ist, und es wird ein Ausstellungszentrum dessentwegen errichtet, aber das lässt gewiss niemand einen Flug mit Umstieg buchen. Man kommt bis zur englischen Hauptstadt oder bis zur irischen, aber in den Norden gibt's nur Regionalflüge. Und wer tut sich das an, nur um Drehschauplätze einer Fernsehserie zu besichtigen. Auch wenn sie schon vorher Weltkulturerbe waren.

Man braucht für jedes Land einen kompakten Kubus, der das Image beinhaltet. Alles Schöne rein, alles Einzigartige, und ein bisschen Info und Realismus, weil man kennt sich ja aus.
Ein ganzes Land auf einem Foto, auf einer Ansichtskarte. Sisi auf einem Lipizzaner vor dem Stephansdom, daneben der geigende Mozart, dem Sachertorte mit Schnitzel und Melange serviert wird.

Schauen wir uns auch morgen wieder um und halten wir die Augen offen.

Donnerstag, 6. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 2

Dadurch, dass hier so viel Platz ist dass man nicht in die Höhe bauen muss, dafür aber viel Grün unbebaut bleibt, weil man es vorher trockenlegen bzw. zumindest etwas entfeuchten müsste, kann man getrost, wenn auch nicht als Philosophie sondern der Gegebenheit halber, der Freilandhaltung frönen.
Und nein, ich meine nicht Hühner. Sondern Kinder und diverse Haustiere, sofern sie vierbeinige Säugetiere sind.
Freilandhaltung? Bei Kindern?
Das bedeutet ungefähr das, was in den 1970ern/1980ern noch nicht so ungewöhnlich war. Dass Kinder mit Freunden im Freien umherziehen, telefonisch unerreichbar, höchstens mit Auflagen die Rückkehr betreffend.
Dass sie über Dinge klettern und durch Gebiete streifen, ohne einen Kurs dafür belegt zu haben. Oder dass ein Hubschrauber über ihnen kreist.

Katzen könnten einem vielleicht zulaufen, oder auch nicht, oder nur des Futters wegen kommen, oder auch mal eine verregnete Nacht lang verschwunden sein.
Hunde können sich der Passion, einen Passanten auf der anderen Seite des Zauns stundenlang zu verbellen, hingeben. Anfangs, weil sie einen zuerst entdeckt haben, dann weil sie einen begrüßen-äh-bedrohen, dann weil sie einen verjagt haben, dann um einem nachzuschreien dass man sich ja nie wieder blicken lassen soll, und schließlich muss noch allen lauthals davon berichtet werden, was für ein Held man doch sei.

Was machen eigentlich Stadthunde den ganzen Tag alleine in der Wohnung. Spielen sie? Schlafen sie? Warten sie den ganzen Tag nur darauf, dass jemand kommt um sie kurz ins Freie zu lassen?

Großstädte sind sehr wohl Orte, an denen Kinder gut aufwachsen können. Sie müssen nicht gezwungenermaßen aufs Land, wenn ihnen der Urban Jungle so viele Möglichkeiten und Reibungspunkte bietet. Nur für Haustiere ist es nichts. Da nimmt man sich lieber einen Furby.

Schauen wir uns auch morgen wieder um und finden vielleicht

Mittwoch, 5. August 2015

14 Tage im NI'emandsland ~ 1

Es wird diesmal ein massiverer Szenenwechsel. Weniger meine ich damit die Geographie und das Klima, sondern die Tages- und Monatsthemen, die regional variieren. Unterschiedliche Blickwinkel und Hintergründe, andere Geschehnisse und Begebenheiten.

Vielleicht flüchte ich ja nicht nur vor der nächsten Hitzewelle von konstanten 38 Grad Celsius, die mich bei weiterer Tendenz in den nächsten Jahrzehnten möglicherweise zum Auswandern bringen könnte.
Vielleicht flüchte ich aber auch vor den Tagesgeschehnissen, den Zitaten, den Wortmeldungen, die mir "in der Heimat" um die Ohren fliegen. In der "Heimat", die "er" meint.
Dieser "er", was täte er in einem Land, in dem es vergleichsweise kaum Einwanderer gibt? Wo würde er ansetzen Unruhe zu stiften, aufzuwiegeln, Wespen-, Schlangen- oder Rattennester zu konstruieren.
Höchstwahrscheinlich wäre seine Partei dann eine jener, die aus Gruppierungen entstanden sind, die mittels ihrer eigenen Armeen den Dauerbürgerkrieg am Laufen gehalten hatten. Nur dass hier Politiker nicht so plakativ die Go aufreißen. Es tuscht mitunter nämlich. Eines Politikers Stimme wurde jahrelang nicht öffentlich gesendet, Interviews mit Synchronstimme belegt. Hier haben Politiker ihre eigenen Markierungen auf dem Kerbholz.
Und "daheim"? Was geschieht gerade "daheim".

Schauen wir uns auch morgen wieder um, wenn es heißt: