Sonntag, 22. Januar 2012

Warum eigentlich?

Wir haben gerne Sinn-Diskussionen am frühen Morgen bei uns in der Familie. Wir zwei Erwachsenen. Diesmal ging es wieder einmal um das Thema Automobil.

• Herleitung des Themas: Eine Nachrichtenmeldung betreffend den Rechtsspruch über eine im Folgenden* vergleichsweise marginale Strafe.
*Bub wird auf dem Schulweg totgefahren, Fazit: Das Leben eines Achtjährigen Schülers beläuft sich exemplarisch auf den Wert von € 9.000,- (Anm.: da bekommt man schon einen gebrauchten Mercedes drum).
• Zuerst einmal: Wie kann ein Richter so einen Spruch von sich geben, auch wenn keine Geld- oder Haftstrafe der Welt den Buben zurückbringen kann.
• Das Auto als mitunter gegebenenfalls tödliche Waffe. (Die Statistik meint: Im Jahr 2010 stehen 29 Verkehrstote in Wien 18 Tötungsdelikten gegenüber.)
• Aber. Der Fragenkatalog: Warum hält Autofahren, das Auto, die Heilige Kuh,  in unserer Gesellschaft einen derartig großen Stellenwert.
• Frage an die Statistik: Wie viele Autos sind in Wien im Umlauf? Rechnen wir einmal à la Milchmädchen: In Wien leben offiziell rund 1,7 Millionen Menschen. Gehen wir davon aus, dass die Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 75 Jahren Auto fahren könnte. Das wären rund 1,4 Millionen Menschen.
Etwa 600 000 PKW sind in Wien zugelassen (also, exklusive Einspuriger und LKW), diesen stehen rund 845.000 Haushalte gegenüber. Das heißt somit, über 70 % der Haushalte nennen ein Auto ihr Eigen. Nahezu drei Viertel.
Und jetzt fragen wir uns einmal praktisch: Wie sieht's im eigenen Bekanntenkreis aus? Wer hat ein Auto? Wer hat sogar mehrere? Und wer hat keines, arbeitet aber auf Grund seines/ihres Autowunsches darauf hin (Führerschein)?
• Und das führt uns zu den nächsten Fragen: Warum meint jede/r, ein Auto haben/brauchen zu müssen/wollen? In einer Stadt, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln flächengedeckt ist? Warum "gehört das einfach dazu"? Warum ist es unnatürlich, in dieser Gesellschaft ohne Auto leben zu wollen; warum ist man ohne bedauernswert und nicht wirklich gesellschaftsfähig? Warum wird den PKW im wahrsten Sinn des Wortes derart viel Platz eingeräumt? Wieder: Warum ist das Auto eine solche Heilige Kuh und wird nicht einmal nur als das Fahr(werk)zeug angesehen als das es ist, gibt es Mode-Schauen und -trends? Warum verschulden sich Haushalte zu Tode, um ein oder zwei Autos auszuhalten?
• Und: Wann fing das an, was ist passiert? In den Siebzigern? Schon in den Sechzigern? Schon weit davor mit dem Volks-Wagen? Jedem sein Auto? Frauen, ein Auto macht euch unabhängig? Vielleicht ein Wirtschafts-Wunder?
Ich bin nicht die Erste und Einzige, die sich die Frage gestellt hat, Was hatten meine Großeltern und was hatten sie nicht, und wie lebten sie damit. Sie hatten einen tatsächlichen Eis-Kasten, in den frühen Fünfzigern, als meine Mutter Kleinkind war. Kaum jemand hatte ein Fernseh-Gerät. Oder viele andere kleinere oder größere – auffallend hauptsächlich elektronische und elektrifizierte – Dinge. Keine 70 % konnten sich ein Auto leisten. Warum aber jetzt? Und jetzt kommt's: Das Geldwesen. Kredit, Leasing – klingelt da jetzt was? Und von all den schönen Gaben möcht Herr Rossi auch was haben? Kann er! Er besorgt sich einfach alles auf Pump. Dazu ist man sich schon lange nicht mehr gut genug. Es ist nicht mehr schändlich, sich zu überschulden. Es gibt kein "Wenn ich es mir nicht erspart habe und nicht bar leisten kann, leiste ich es mir einfach nicht." mehr. Es ist viel zu leicht, an virtuelles Geld heranzukommen, das in realiter schwer eingefordert wird.

Aber warum ist es schändlich, aus diesem gesellschaftlichen Denkmodell auszusteigen? Weil sich Wirtschaft und Börse in die Hintern bisse, wenn jede/r so dächte? Weil Sandburgtyranneien macht- und kraftlos darniedersänken? Wo kämen wir denn da hin?

Ich weiß jedenfalls, wie.
Per pedes.

Keine Kommentare: