Samstag, 6. August 2011

Zapfenstreich in der Seitengasse

Vor einigen Monaten begann ich über die Straßenbeleuchtungsphilosophie der Wiener Stadtwerke nachzudenken. Man muss dazu wissen, dass unsere Schlafzimmerfenster zu ebener Erde in Richtung kleiner, stiller Seitengasse gehen. Und wir keine Jalousien sondern Vorhänge haben, weil mich Stockdunkel beim Schlafen eher hindert als ein leichter Schimmerschein. So entging mir also nicht, wie eine der Straßenlampen (hier hängen sie über der Fahrbahn, die Laternenpfahle findet man nur auf repräsentativen Meilen) daran war den Geist aufzugeben – ich wurde aus dem Schlaf irritiert von einem Flackerlichtgezucke wie man es beim neurologischen Epilepsietest einsetzt. Nicht dass sehr viel Licht durch die Vorhänge käme, aber dieses Geblitze war für eine Neuroprinzessin auf der Erbse wie mich derart störend dass es mich aus dem Schlaf holte. Und weiteren erschwerte.
Gut, dachte die Prinzessin, die Nacht ist jetzt eh bald um, und die Leuchtröhre sicher bald ersetzt. Schließlich gibt's sicher dienstbeflissene Mitbürger die gleich zum Telefonhörer greifen (in Augenhöhe im zweiten Stock, da flackert einem das sicher noch angenehmer ins Antlitz). Oder nächtliche Streifenwagenbesetzungen die die Illuminationsschwäche (Überfälle? Unfälle?) zu melden haben. Oder oder oder.
Und dann kam das Wochenende und die Röhre zuckte discomäßig weiter, und die Prinzessin berief sich auf die neue Arbeitswoche – nur um dann festzustellen dass die Röhre nicht durch eine frisch strahlende ersetzt, sondern nun komplett ausgefallen war. Und, vielleicht wie bei der Funktion einer Lichterkette, den restlichen Beleuchtungsstrang ausgelöscht hatte. Mir starrte nun die natürliche Dunkelheit entgegen. Und ich erinnerte mich meiner Kindheit, als Seitengassen nie wirklich hell waren in der Nacht. Als die Stadt in der Nacht generell nicht derart gleißend hell war. Ach ja genau, das war damals ja nicht so.
Aber jetzt!, dachte ich, aber jetzt, da wird ein Trupp kommen, mit seinem Ausfahrkörbchen, und ruckzuck die Störlampe reparieren. Hm.
Weil man durch solche kleinen Vorkommnisse ja sensibel wird in seiner Beobachtung, fiel mir dann im Anschluss auf dass sehr wohl wieder alle Lampen leuchteten – aber beim nächtlichen Betreten des Schlafzimmers alles so dunkel war dass man keine Konturen ausmachen konnte und gegen den Bettrahmen rannte. Wie kommt das denn jetzt?
Längere Beobachtung zeigte: Die Stadt Wien macht um elf das Licht aus. (Nunja, nicht ganz aus, aber merklich aus-erer.)
Machen die das schon länger so? Nur unter der Woche vielleicht? Nur in den verkehrsruhigen Seitengassen? Ist die Motivation ökologischer oder doch nur geiziger Natur? Oder sorgt man sich um den ungestörten Schlaf der Bürger? Und wer hat bestimmt dass das um elf Uhr geschieht? Ein Umfrageinstitut? Der Gesundheitsminister? Oder der Finanzminister?, "So, jetzt wird geschlafen, Licht aus und Gute Nacht!", damit wir morgen wieder fit sind und tüchtig arbeiten können?

Die Stadt deckt dich zu und dreht das Licht ab. Lesen kann ich zum Glück schon selber. Und einen Gutenachtkuss verbitt ich mir.


Nachtrag:
Heute Früh fiel mir dann noch etwas auf: Um Punkt 5 Uhr dreht die Stadt wieder auf hell.
Von elf bis fünf, das sind sechs Stunden. Sechs Stunden Schlaf. Dann darf wieder geameist werden.
Diese Tage bin ich übrigens schwer am Arbeiten – einerseits im Beruf, und andererseits (wegen dessen) daran, mindestens sechs Stunden Schlaf zu bekommen. Netto-Schlaf, nämlich. Denn diese Woche ereilte mich das Glück, an vier von fünf Arbeitstagen den Frühdienst um sieben Uhr zugeteilt zu bekommen. Was heißt, um 5 Uhr aufstehen. Und dank der derzeitigen U-Bahn-Sperre eine Stunde lang durch die dann schon erleuchtete Stadt gondeln zu dürfen.
Was für ein Glück. Was ich nicht alles darf.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

*g* Wien hat früher schon seit Jahren um Mitternacht einen Teil der Röhren ausgeschaltet, aber es - glaube ich - letztes Jahr auf 23 Uhr verschoben.

© hat gesagt…

Da sieht man wieder einmal wie sehr ich -nicht- auf Seitengassenbeleuchtung um Mitternacht herum geachtet habe in den letzten Jahren.
Weil ich schlafe. Weil mein Augenmerk (mittlerweile selten) beim Ausgehen, wenn, dann zu dieser Uhrzeit auf ganz andere Dinge fiel. Weil ich um diese Uhrzeit Spaziergänge in kleinen unbekannten Seitengassen eher vermeide.
Vielleicht bin ich inzwischen auch einfach nur kein "Normalbeobachter" mehr...
("Der Normalbeobachter ist ein hypothetisches Wesen mit Seheigenschaften, die dem Durchschnitt einer Vielzahl von untersuchten Testpersonen verschiedenen Alters entsprechen.", siehe hier: http://www.wien.gv.at/verkehr/licht/beleuchtung/oeffentlich/technologie.html )