Mittwoch, 27. Mai 2009

Schneewächter bei 30 Grad im Schatten

Ja, "da muss man in ein anderes Land ziehen, um eine Band aus dem Nachbarort mal live zu sehen", wie S. es wiederholt formulierte.
Gestern Abend haben Snow Patrol es also geschafft nach Österreich zu kommen, ohne dabei auf einem der vielen großen Sommerfestivals zu spielen. OpenAirFestivals kann ich nicht leiden, da viele Menschen auf einem Haufen, viele Bands die man gar nicht hören/sehen will aber durchmachen "muss", und obendrein die Unmöglichkeit, sich zeitgerecht aus dem Pulk zu lösen "falls man spontan auf die Toilette will" (eine meiner größten Sorgen bei solchen Events?).
Auf der Toilette war ich noch schnell vor dem Konzert gestern (man möchte mein fortgeschritteneres Alter daran erkennen dass ich vornehmlich über die Verfügbarkeit von sanitären Anlagen berichte?), Pulk gab's trotzdem, und, wie nicht viel anders erwartet, hauptsächlich zusammengestellt aus molligeren, untätowierten Twen-Mädels.
Und mir fiel auf: Ich war zu viel auf Punkrockkonzerten gewesen in meiner Vergangenheit.
Molligere, untätowierte Twen-Mädels darf man nicht schieben, man darf sich nicht durchdrücken, und man muss damit rechnen dass sie sich schön Platz um ihre Leibesmitte halten, damit sie ein bisschen Girliegetänzel machen können. Mehrmals kam mir glühend heiß und sehnsüchtig das Wort "moshpit" in den Sinn.
Bassist Paul Wilson (laut eines Interview des Frontmanns Lightbody "unser Mädchenschwarm" – soso) vor meiner Nase rockte zwischendurch schön unbrav. Ich bin kein Schmusesongmusiker, ich bin der bad boy der Band und ich rocke. Doch dem Publikum war nicht bekannt, dass man auch mehr als nur Hüftspeck schwingen und artig klatschen kann (zum Mitsingen kommen wir noch). Ich fühlte mich also etwas altjung, als meine Körperzellen stellenweise automatisch in einen klassischen Pogo ausbrachen.
Ach und ja, das Mitsingen. Unglücklicherweise ist nicht jeder mit einer guten Stimme gesegnet. Unglücklicherweise denken die Meisten, bei so einem lauten Konzert höre man sie schon nicht durchjodeln.
Aber leider doch, vor allem wenn es in das rechte Ohr und in die Haare der direkt davorstehenden Konzertbesucherin mit peniblem Gehör ist. Bitte liebe Twen-Dame, erinnere dich nicht mehr an die Lyrics. Du jodelst mir nämlich ins Ohr. Ich hör das. Und es tut weh.
Es ist schon fremdpeinlich genug, wenn man unzähligen OstösterreicherInnen beim Versuch einen nordirischen Akzent zu imitieren lauschen muss, und man den dicken Wiener Akzent durchschmeckt wie gallige Buttercreme. Iff ei lei hier, iff ei dschast läh hier... Wuuuuuh. Gänsehaut. Im Magen. Und ja, da bin ich arrogant, ich weiß. Ist mir voll bewusst.
"Fucking Hell, that's lovely" – das nahm ich eher als tour-routinierte Höflichkeitsfloskel, weniger als spontan überwältigte Begeisterung über den Amateurs-Chor. Aber sie machen's gut, rundum strahlend in die Menge zu blicken (tausend Gesichter in Dutzenden von Städten – letztlich alle gleich) und ihre Show-Aufmerksamkeit ausgewogen zu verteilen. Schon immer wieder beeindruckend zu beobachten, was im Showbiz noch alles so dazugehören muss. Wie das Bühnenlächeln der Ballerinas. Harte Arbeit.
Peinlichkeitsfaktor zwei: Es schwang jemand im Publikum die irische Fahne. Uuuuuuuh... Mr Lightbody meinte lächelnd dazu, I don't wave any flags, I wave like this (kindliches Handwinken).

Aber was berichte ich nun wiederum ellenlang über das Publikum – dieses zu erleben, dafür hab ich ja schließlich nicht gewartet und gezahlt.
Eigentlich auch nicht für die Vorbands (deren erste wir zum Glück fast noch versäumt hatten). Hatte ich schon einmal erwähnt wie ich Vorbands hasse? Das ist wie die Werbung vor dem Film, nur länger. Im Theater spielt man ja nicht auch noch ein bisschen Nestroy bevor man den Bernhard auf die Bretter stellt, so zur Einstimmung und zum Anheizen. Brauch ich nicht. Will ich nicht. Deswegen bin ich nicht hier.
Aber vielleicht hilft das auch der Band selbst ein bissel. Um acht spielt man halt noch nicht, um 3/4 9 auch nicht, um halb zehn geht's dann schön langsam an. Wir sind ja kein Kinderprogramm. Wobei, dann könne man ja gleich für neun ansetzen?
Wie dem auch sei. Jeder braucht halt seine Einschwingzeit im Personalraum. Was mich gleich zu meiner Frage bringt die sich mir ab und zu ein bisschen eingeschlichen hat:
Warum grinst der gute Mann dauernd so?
Einen zweiten Trommelmann hatten sie überdies mitgebracht, von Belle and Sebastian.
Gut gespielt haben sie, keine Frage. Haben brav ihre Singles hingelegt und nicht zu strapazierend viel Neues gespielt (wir wissen ja, die Faninnen jodeln gern mit). Unterhaltsam wie gewohnt: das fröhliche Geplänkel zwischendurch.

Ich setz übrigens keinen Link zu Videos rein, wer mag sucht einfach Snow Patrol Wien oder Snow Patrol Vienna oder Snow Patrol Gasometer auf Youtube. Gibt ja genug dienstbeflissene Leutchen, die statt zu schauen filmen, und umgehend, gleich noch verschwitzt grad heimgekommen, hochladen.
Danke, ganz lieb. (Das mein ich jetzt mal -nicht- sarkastisch.)
S. hat nur geknipst (ich hab mich geweigert, ich wollt nämlich schauen und hören und nicht arbeiten), da mag ich vielleicht ja was nachreichen, da das © schließlich bei uns liegt, und er noch der Herr der Dateien ist und noch nix auf den Rechner gezogen hat. Der schläft nämlich heute für Band, mich und sich selber nach.

Direkt nach dem Konzert draußen übrigens ein heftiger kühler Sturm. Angenehm nach den 30 Grad der letzten Tage, und der stickigen Schwitzhitze im Gasometer. So weit dazu also noch der Wetterbericht.

Und heute einen Urlaubstag und schnell noch beide Arme vollimpfen lassen. Rechts FSME, links Diptherie-Tetanus-Polio. Hätt's HepA+B gegeben, hätt ich mir die auch noch reinhauen lassen.
Und so erledigt kann ich scheinbar gar nicht sein nach einem 10stündigen Arbeitstag unter Kindern mit anschließendem Konzertausgang auf morschen Knochen bis Mitternacht, dass man mich nicht jünger schätzt. Auf meine Frage, ob ich meine Pockenimpfung nicht eigentlich auch mal auffrischen müsse, meinte der Gesundheitsbeamte:
Pocken wird seit 30 Jahren nicht mehr geimpft. Wie alt sind Sie denn, gnä Frau?!?
Nach TBC hab ich dann gar nicht mehr gefragt. Und der linke Arm tut mir ein bissel weh. Aber dafür hab ich ja frei. Und der Kleine ist bei der Oma und geht mit ihr in den Zirkus.
Jeder kriegt halt was er braucht und was ihm gefällt.

2 Kommentare:

Kadde hat gesagt…

Hach Cordula ein herzerfrischender Bericht wie man dich kennt! ;)
Herrlich!
Arrogant, was ist das? Du bist nur realistisch! ;)

Jaja die 3fach Impfung in den linken Arm ;) Kommt mir bekannt vor :D

LG ausm Norden.

© hat gesagt…

Ich weiß dass ich arrogant bin – vielleicht macht es das ja ein bisschen besser, karmamäßig ;)

Sei lieb zurückgegrüßt!