Samstag, 3. April 2010

Die Negerlein in Afrika

Wieder etwas Körperliches. Denn wenn man genau hinschaut, geht es bei der katholischen Kirche mehr oder weniger unterschwellig doch meist um das Körperliche; das Materielle.

Kürzlich, da es ja Thema in den Medien wurde, schrieb auch eine stadtbekannte Kolumnenautorin in einem kurzen Aufsatz in einer unserer Wiener "Gratis-Tageszeitungen" darüber, dass sie von einigen Freundinnen wiederholt erzählt bekommen hätte, dass eine scheinbar übliche Methode war, Kinder deren Erbrochenes essen zu lassen. Nahezu naiv wenn nicht fast scherzhaft (wie es verstanden werden könnte wenn man in diesem Fischerboot mit drin gesessen hat) mutmaßte sie, was dessen Ursache wohl wäre. Dass die Speisen fürchterlich gerochen und geschmeckt haben müssen, dass es einem den Magen umdrehe. Anders könne sie sich den Hergang der Prozedur mit dem Erbrochenen nicht erklären. Aber wie könnte sie denn auch, wenn es ans pädagogische Tabu- und Fehlverhalten geht.
Das kam nämlich folgendermaßen.

Dass zu einem klostervolksschulischen Mittagessen ein Teil Stille, ein großes Quantum Gebet und in jedem Fall schrecklich versalzene Suppe gehörte, war Usus und nichts besonders Auffälliges.
Dass es Ende der 70er Jahre in den Nachkriegsgenerationseltern verankert war dass man aufzuessen hatte, und zwar "was auf den Tisch kommt", nichts Unübliches.
Dass die nachfolgende Generation das Mistkübel-Syndrom übernahm, Essen nicht stehenlassen oder wegwerfen zu können und sich damit einen maroden Hang zu Essstörungen angewöhnte, nichts Dramatisiertes.
Wenn aber der Zeigefinger der Schwester dazukam, begleitet von einer dröhnenden Predigt, dann konnte einem der Appetit aufs Menschsein schon recht vergehen.

So geschehen mit einer meiner Freundinnen, Petra. Welche von Haus aus eher zierlicher und nicht gerade mit dem Heißhunger eines Sport betreibenden Teenager-Jungen ausgestattet war.
Alle hatten sich schon von den Tischen entfernt, da brav aufgegessen und abgeräumt. Nur meine Freundin Petra hatte ihren Teller noch nicht leer, und ich versprach auf sie zu warten. Anders hätte ich die folgende Szene wahrscheinlich nicht live miterlebt.

Eine mürrische Schwester, die aufs Aufessen drängt. Ein elendes Häufchen Petra, das meint sie könne nicht mehr. Die Schwester, die beginnt Petra zu füttern. (Und damit ist nicht ein Füttern gemeint wie man es Babies angedeihen lässt, sondern eher in die Sparte Stopfleber-Gans einzuteilen.) Petra, die sich wehrt. Eine weitere Schwester, die zur Hilfe eilt. Petras Kopf von hinten festhält. Während die andere Schwester weiterschaufelt. Petra, die sich auf ihren Teller übergibt. Die Schwester, die unablässig weiterschaufelt. Und eine im leeren Speisesaal dröhnende Predigt hält. Über die Negerlein in Afrika. Die froh wären wenn sie Petras Essen hätten. Dass sie dankbar sein soll. Dass sie nicht verhungern muss wie die Negerlein in Afrika. Die armen. So schaufelt sie weiter. Und Petra würgt hinunter. Bis der Teller leer ist. Weil sie nicht anders kann. Weil sie nicht sagen kann, Pack doch den Rest von deinem Fraß ein in ein Kuvert und schick ihn nach Afrika. Schick ihn zu deinen kleinen Negerlein die dir im Grund scheißegal sind, und schau ob sie satt geworden sind von der Kotze die du mir in den Schlund geschoben hast.

Aber das wäre nicht demütig. Das wäre nicht dankbar. Das wäre nicht nächstenlieb. Das wäre nicht christlich. So wie Gottes Gaben wieder auszuspucken. Unerhört.

Und so, liebe Frau Deissen, kam es, dass Petra ihr eigenes Erbrochenes mit hinunter würgen musste. Nicht wegen der mangelnden Kochkünste der Küchenschwestern. Wegen des Schwesternduos, das sie in die Zange nahm und sie schoppte wie eine Mastgans. Damit die Negerlein nicht verhungern und Petra das Gefühl für sich selbst verliert.
Amen, Mahlzeit.

2 Kommentare:

Ex hat gesagt…

Oh Gott :(

Das ist grausam zu lesen. Wie grausam muss es erst gewesen sein so behandelt zu werden?

© hat gesagt…

Und das ist nur eine Spitze des unvorstellbaren Eisbergs. Da kommt noch mehr, Stück für Stück...